Fürstinnen wie die sagenhafte Brünhild, Katharina de Medici, Katharina die Große oder Elisabeth I. haben als vermeintlich besonders starke „Ausnahmefrauen“ seit jeher die (männliche) Fantasie beflügelt. So lässt beispielsweise der Schweizer Maler Johann Heinrich Füssli (1741-1825) König Gunther von Brünhild in bester Bondagemanier über dem ehelichen Bett aufhängen. Ein Best of an bösen Witwen/Schwiegermüttern, amazonenhaften Kriegerinnen und kühlen Herrscherinnen kann man derzeit auch in Game of Thrones erleben. Als „Forschungsobjekt“ hat die Frau bei Hofe erst in den letzten 20 Jahren mehr Aufmerksamkeit erfahren. Es ist wenig verwunderlich, dass die entscheidenden Impulse zur Erforschung geschlechtsspezifischer Handlungsräume hierbei von Historikerinnen ausgingen.[1] Ihre Untersuchungen zeigen einmal mehr, wie sehr unser Blick auf die Fürstinnen von den realitätsfernen Klischees des 19. Jahrhunderts geprägt war und häufig noch ist.
Eine besondere Rolle unter den Fürstinnen kommt den Witwen zu. Sie agieren nach dem Tod ihres Gatten in größerer Unabhängigkeit und treten in Quellen daher oft deutlicher in Erscheinung. Es gibt zwar einige Studien, die sich mit den Lebensläufen einzelner Fürstinnen beschäftigen, bisher fehlt aber eine vergleichende Perspektive. Kunsthistorische Beiträge zur Rolle der Witwen als Auftraggeberinnen sind bis jetzt sehr rar. Die Tagung „Frau und Herrschaft. Fürstliche Witwen in der höfischen Repräsentation der Frühen Neuzeit“ (Universität Trier, 2011) war ein erster Versuch, diese Lücke zu schließen. Seit kurzem liegt der Tagungsband Fürstliche Witwen in der Frühen Neuzeit. Kunst- und Kulturgeschichte eines Standes vor, der in gelungener Weise erstmals verschiedene europäische Witwen des Hochadels zusammenbringt.
Aus architekturhistorischer Sicht sind vor allem die Beiträge von Cordula Bischoff (Status, Macht und Kunstpolitik in der Frühen Neuzeit: Die Witwe als Bauherrinund Auftraggeberin), Caroline zum Kolk (Zwischen Tradition und Moderne: Katharina von Medici und der französische Hof zur Zeit Karls IX.), Elisabeth Wünsche-Werdenhausen (Savoyische Regentin – französische Königstochter: Die Kunstpatronage der Marie Christine von Bourbon in Turin (1637–1663)) und Markus Jeitler (Eleonora Magdalena Gonzaga von Mantua-Nevers und ihre Spuren in der Baugeschichte Wiens) hervorzuheben (zum Inhaltsverzeichnis). Der Fürst als Bauherr, der sich vor seinen Bauprojekten in Szene setzt, ist ein Standard-Motiv der Kunstgeschichte. Das Projektieren und die Kenntnis von guter Architektur gelten als Teil der Prinzenerziehung – Architektur erscheint damit nicht zuletzt in der Forschung zur höfischen Kultur als Teil der männlichen Sphäre.
In ihrem Aufsatz zur „Witwe als Bauherrin und Auftraggeberin“ zeichnet Cordula Bischoff hingegen ein ganz anderes Bild. Fürstinnen wie Amalie Magdalena von Hessen-Darmstadt (1635-1709), Maria Dorothea von Württemberg (1639-1698), Sibylla Augusta von Baden-Baden (1675-1733), Henriette Adelaide von Bayern (1636-1676) und Louise Henriette von Brandenburg (1627-1667), um nur einige zu nennen, griffen aktiv in die künstlerische Gestaltung und Ausstattung ihrer Schlösser, Witwensitze und Lusthäuser ein. In Briefen tauschten sie sich mit ihren Verwandten an anderen Höfen über Entwürfe, Organisation und angemessene Bauformen aus – so wie Kurfürstin Henriette Adelaide, die die Planung des Lustschlosses Nymphenburg im Stil einer römischen villa suburbana in Angriff genommen hatte. Hinsichtlich der Raumaufteilung des Lustschlosses suchte Henriette Adelaide den Rat ihrer Mutter Marie Christine von Savoyen (1606-1676): „[…] Votre Altesse Royale sait plus mieux que moy come il le faut.“[2] („Eure Königliche Hoheit weiß besser als ich, wie es zu sein hat.“)
Einige Kunsthistoriker_innen haben es wohl schon immer geahnt, andere mag das Ergebnis des Sammelbandes überraschen: Die europäischen Fürstinnen beschäftigen sich genauso selbstverständlich mit Architektur und lassen genauso viel bauen wie die Fürsten. Dass sie als Bauherinnen heute nur in Einzelfällen präsent sind ist nicht Ausdruck eines historischen Rollenverständnisses, sondern allein ein Mangel an Forschung. „Fürstliche Witwen in der Frühen Neuzeit“ konzentriert sich mit Ausnahme Katharina de Medicis als Bauherrin des Tuilerienschlosses auf das 17. bis 18. Jahrhundert. In diesem Zeitraum häufen sich die bekannten Beispiele regierender Witwen, die ihr Image als tugendhafte, der Memoria ihres Mannes verpflichtete Frauen pflegen. Die Quellenlage ist für diese Zeit natürlich um einiges reichhaltiger als für das 15./16. Jahrhundert. Umso mehr gibt es hier noch zu entdecken. Auf Grundlage meiner eigener Forschung gilt es z.B. Amalia von Sachsen, Kurfürstin Anna oder Sophia von Brandenburg in diesen Kontext einzuordnen, aber auch die sächsischen Fürstinnen des 16. Jahrhunderts stellen hier keine Ausnahme dar. In diesem Sinne ist der Band bestens geeignet, gerade die Kunstgeschichte für diesen Themenbereich zu sensibilisieren und zu weiteren Arbeiten anzuregen.
[1] Für den deutschsprachigen Raum exemplarisch Heide Wunde: „Er ist die Sonn‘, sie ist der Mond“. Frauen in der Frühen Neuzeit“ München 1992; dies., Herrschaft und öffentliches Handeln von Frauen in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: Frauen in der Geschichte des Rechts, hrsg. v. Ute Gerhard, München 1997, S. 27-54.
[2] Zit. N. Cordula Bischoff: Status, Macht und Kunstpolitik in der Frühen Neuzeit: Die Witwe als Bauherrin und Auftraggeberin, in: Fürstliche Witwen in der Frühen Neuzeit. Zur Kunst- und Kulturgeschichte eines Standes, hg. v. Ulrike Ilg, Petersberg 2015, S. 40-54, S. 48.
Merken
Werte Rezensentin.
Da muss ich doch bemerken, dass der Beitrag von Cordula Bischoff nicht gar so innovativ ist. Über die Bauten auf dem Lande/Lustschlösser steht in meiner Dissertation: Heiko Laß: Jagd- und Lustschlösser. Kunst und Kultur zweiter landesherrlicher Bauaufgaben. Petersberg 2006, S. 73-78 Grundlegendes und über Bischof Hinausgehendes. Darauf aufbauend auch: Schlösser von Frauen. In: Heiko Laß: Schlösser in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Petersberg 2013, S. 112-117. Das heißt nicht, dass der Beitrag von Cordula Bischoff schlecht oder übrflüssig ist. Im Gegenteil, ich habe ihn mit Gewinn gelesen, wie auch den ganzen Band. Das ist alles Bestens.