Dieser Beitrag entstand im Zuge meines Vortrags beim 18. Symposium des Mediävistenverbandes in Tübingen. Neben einem kurzen inhaltlichen Überblick findet ihr im Anschluss ein Video des gesamten Vortrags.
Herzog Georgs Ausbauprojekt der Burganlage von Burghausen um 1480
Ab ca. 1480 wurde unter Herzog Georg ‚dem Reichen‘ von Bayern-Landshut (1455–1503, r. 1479) mit den Baumaßnahmen an der Burg Burghausen ein Ausbauprojekt von ungewöhnlichem Umfang nach modernsten Maßstäben seiner Zeit realisiert. Sowohl als Ort dynastischer Repräsentation, sowie als bauliche Reaktion auf politische Entwicklungen (Türkengefahr) und Innovationen der Kriegstechnik (Artillerieeinsatz und -abwehr) bietet die Deutung der Anlage eine Vielzahl an Metaebenen der Analyse von Neuerungsprozessen.
Mit dem Hofbaumeister Ulrich Pesnitzer, dem als koordinierendem ‚Mastermind‘ alle Teilbereiche des Projekts in Burghausen unterstanden, ist eine neuartige Schlüsselfigur greifbar. Parallelen mit verwandten Projekten, z. B. auf der Feste Hohensalzburg und der Burg Tittmoning, lassen sich so verknüpfen und erklären. Viel deutet zudem auf eine Verbindung zum böhmischen Hofbaumeister Benedikt Ried, der unter Herzog Georgs Schwager König Wladislaw II. von Böhmen den Ausbau des Hradschin in Prag leitete.
Ausgehend vom Beispiel Burghausens wird durch die Einbeziehung der zeitgenössischen politischen Ideenwelt auch im Bereich der Architektur nach Motiven programmatischer Ideen für fürstliche Reformvorstellungen gesucht. In Auftrag gegeben durch die Fürsten und umgesetzt durch die Baumeister, waren die Vermittler der zugrundeliegenden Wertvorstellungen die Gelehrten Räte, die in die höfischen Netzwerke (Ost-)Mitteleuropas eingebunden waren.
Der Versuch einer neuen Deutung als politische Architektur
Es wird eine neue Deutung solch groß angelegter Bauprojekte wie Burghausen als politische Architektur versucht. In der Konzeptualisierung manifestiert sich als ein Charakteristikum des herrschaftlichen Bauens im späten 15. Jahrhundert auch das intellektuelle Zeitgeschehen. Dass diese Projekte tatsächlich in ihrer Gesamtheit als Symbole mit politischer Wirkmacht wahrgenommen wurden, belegen zeitgenössische Schriftquellen (Hofchronistik und Panegyrik). Darin lässt sich u. a. der Bezug zur antiken Herrschertugend der Magnifizenz (Großartigkeit) nachvollziehen. Demgemäß wurde also (auch) in der Art zu Bauen Neukontextualisierung geleistet: Humanistische Ideale der Herrschaftsführung nach neuen, d.h. hier antiken Vorbildern wurden in zeitgenössischen Adaptionen umgesetzt.
Es ergibt sich der methodologische Vorteil, dass neben der Architektur als Sachquelle immer auch mindestens eine der Personen(gruppen) als Akteur greifbar ist. Entsprechend werden klassischkunsthistorische (Stilanalyse) mit Methoden der Geschichtswissenschaften (Quellenkunde) und (Bau-)Archäologie (Befunde am Objekt) verbunden.
Mittels Beispielen aus diesen Bereichen möchte der Vortrag die Potentiale von Architektur als Medium für die Rekonstruktion von Adaptions- und Innovationprozessen sowie gesamtgeschichtlicher Zusammenhänge veranschaulichen. Mit der Kombination von Architektur als Quelle und interdisziplinärer Methodik soll wechselseitig auch fachlicher Weiterentwicklung der Weg bereitet werden.
Vortrag März – Prag und Burghausen um 1500 – in Tübingen 2019 from Munich Digital Art History on Vimeo.
Mein herzlicher Dank gilt Prof. Stephan Hoppe für die Bereitstellung und das Erstellen des Vortragsvideos!
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