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Freude und Leid: Agnes von Hessen und Anna von Dänemark im Dresdner Moritzmonument (1555)

Freude und Leid: Agnes von Hessen und Anna von Dänemark im Dresdner Moritzmonument (1555)

Das Dresdner Moritzmonument von 1555 propagiert den rechtmäßigen Übergang der sächsischen Kurwürde vom ersten albertinischen Kurfürsten Moritz auf seinen jüngeren Bruder August. Seit kurzem ist es in der neuen Dauerausstellung „Auf dem Weg zur Kurfürstenmacht“ im Dresdner Residenzschloss zu sehen. Das nehmen wir zum Anlass, den beiden im Moritzmonument dargestellten Fürstinnen Agnes von Hessen und Anna von Dänemark einen Blogbeitrag zu widmen.


Das Dresdner Moritzmonument (dat. 1555, zugeschr. Hans Walther II.) in 2D wiederzugeben war schon immer eine Herausforderung. Bemüht man sich um eine frontale Ansicht der zentral dargestellten Szene mit Moritz (1521-1553) und August von Sachsen (1526-1586), verschwinden deren Ehefrauen Agnes von Hessen (1527-1555) und Anna von Dänemark (1532-1585) unweigerlich hinter den Säulen der Baldachinarchitektur. Wählt man eine pittoreskere Schrägansicht, verschwindet immerhin nur eine der beiden Fürstinnen im toten Winkel. Im späten 18. und 19. Jahrhundert lösten Künstler dieses Problem ganz pragmatisch, indem sie entweder Agnes und Anna verrückten oder die Säulen zur Seite schoben. In der neuen Dauerausstellung „Auf dem Weg zur Kurfürstenmacht“ im Dresdner Residenzschloss können Besucher das Moritzmonument nun ausgiebig von allen Seiten betrachten – im Gegensatz zur Kopie an der Brühlschen Terrasse hier ohne architektonische Rahmung. Das ist ein guter Anlass, die Figuren Agnes und Annas einmal genauer in den Blick zu nehmen.

Kopie des Moritzmonuments an der Brühlschen Terrasse (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/99/Moritzdenkmal.jpg, By User:Kolossos (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons)

Die neu konzipierte Ausstellung zeigt das Moritzmonument, das zuvor in den Kassematten unter der Brühlschen Terrasse aufgestellt war, nun als historischen Kulminationspunkt: Nach dem Schmalkaldischen Krieg war die Kurwürde im Jahr 1547 von den Ernestinern an die Albertiner übergegangen. Als Kurfürst Moritz von Sachsen 1553 in der Schlacht bei Sievershausen tödlich verwundet wurde und ohne Nachkommen starb, war die albertinische Herrschaft also noch sehr jung. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die dynastisch-politische Botschaft des Monuments: Im Moment seines Todes, angezeigt durch das Skelett mit Stundenglas, reicht Moritz das Kurschwert an seinen jüngeren Bruder August weiter. Die fast spiegelbildliche Anordnung der beiden Brüder, die hier wie Zwillinge aussehen, unterstreicht ihre enge Verbindung. Plakativ erscheint in der Mitte Gottvater, der die Weitergabe der Kurwürde mit seinem Segen legitimiert.

Hans Walther II., Moritzmonument, 1555

So gleich die beiden Brüder gezeigt werden, so unterschiedlich erscheinen ihre Ehefrauen. Agnes von Hessen trägt Witwentracht. Ein weiter Mantel verhüllt ihren Körper und über ihrer Haube liegt ein dünner Schleier. Der Mund ist durch den hochgezogenen Kinnschleier bzw. die sogenannte ‚Klagbinde‘ verdeckt. Auch Agnes Körperhaltung bringt ihren Status als trauernde Witwe zum Ausdruck. Sie hält den Kopf geradeaus gerichtet und ihre Augenlider sind leicht gesenkt. Diese strenge, reglose und betont sittsame Haltung verbildlicht dem moralischen Verhaltenscodex, der in frühneuzeitlichen Witwenspiegel beschrieben wird.

Hans Walther II., Moritzmonument, 1555, Detail: Agnes von Hessen

Die dargestellte Trauerkleidung findet sich häufig bei Witwen, wurde bei Beerdigungen aber auch von der weiblichen Verwandtschaft und bei Hofe vom ganzen Frauenzimmer angelegt. Der Nürnberger Künstler Jost Amman zeigt 1586 im ‚Frauenzimmer Trachtenbuch‘ eine trauernde Edelfrau aus Meißen in voller Trauerkleidung und erklärt: „Also verhüllet ihren Leib/ Ein adeliches Meisnisch Weib/ Vom haupt biß auff die Füß hinab/ Wenn sie beleitet zu dem Grab/ Ihren Mann oder sonst jemand/ Der ihr mit Freundschafft ist verwandt/ Biß die Trawrzeit erreicht ihr end/ Und Gott ihr Klag in Freud verwendt.“

Das Frauen-Trachtenbuch, 1586, Holzschnitte von Jost Amman

Anna von Dänemark hingegen ist ihrem Status als neuer Kurfürstin entsprechend prunkvoll nach der aktuellen Hofmode gekleidet. Sie trägt um den Hals ein dickes Collier mit Anhänger, ist also auffallend geschmückt. Ihre Haube ist erkennbar mit Perlen und Stickereien verziert. Anna trägt zwar auch einen Kinnschleier, hat diesen aber nicht über den Mund gezogen. Sie blickt scheinbar himmelwärts, ihr Kopf ist leicht geneigt und auch die Falten ihres Kleides zeigen eine bewegtere Körperhaltung an. Wie auch das Weiterreichen des Kurschwertes von Moritz an August ist die Gegenüberstellung der ehemaligen und der neuen Kurfürstin anhand der unterschiedlichen Kleidung sehr leicht lesbar und erschließt sich auch heute noch auf den ersten Blick.

Hans Walther II., Moritzmonument, 1555, Detail: Anna von Dänemark

Warum kommen Agnes von Hessen und Anna von Dänemark nun überhaupt im Moritzmonument vor? Der Vergleich von Leid und Freude, verkörpert durch die trauernde Witwe Agnes und die neue Kurfürstin Anna, ist hier gleichzeitig Ausdruck der Hoffnung auf dynastischen Fortbestand: Mit dem Kurschwert, dass Moritz an August übergibt, endet auch die Funktion der kinderlos gebliebenen Agnes als potenzielle Gebährerin weiterer albertinischer Kurfürsten. Diese Aufgabe fällt nun Anna zu. In diesem Sinne verspricht das Moritzmonument, dass auch mit dem neuen Kurfürstenpaar für politische Ordnung und eine langfristig stabile albertinische Herrschaft in Sachsen gesorgt ist. In der Tat war die lange Regierungszeit Annas und Augusts politisch, wirtschaftlich und kulturell erfolgreich. Agnes von Hessen wurde hingegen 1555 an Herzog Johann Friedrich II. von Sachsen verheiratet, wohl um das Verhältnis zu den Ernestinern zu festigen. Sie wird damit zum Bindeglied zwischen den beiden wettinischen Höfen – umso wichtiger scheint es, dass das Moritzmonument ihre (ehemalige) Anbindung an die Albertiner betont.


Lese-Tipp zum Thema der ‚Klagbinde‘ mit vielen weiteren Bildern:

https://vulgarcrowd.wordpress.com/2015/07/22/hej-varlden/


Christa Syrer ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunstgeschichte der LMU München. Seit Oktober 2017 wird ihre Dissertation ‚Architektur und Funktion von Witwensitzen in der frühen Neuzeit, 15.-17. Jahrhundert‘ durch die Gerda Henkel Stiftung gefördert. In der Dissertation beschäftigt sie sich u.a. mit der Aufteilung von Witwengut/Ämtern zwischen Agnes von Hessen und Anna von Dänemark.

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