Von Anna Sebastian //
In der Beschäftigung mit Herrschaftslegitimation in der Übergangszeit von Mittelalter zur Frühen Neuzeit ist eine der wohl ergiebigsten Quellen die „Fürstliche Chronik genant Kayser Maximilians geburt spiegel“[1], welche Kaiser Maximilian I. 1518 nach elf Jahren der Konzeption von dessen Historiographen Jakob Mennel überreicht wurde (Abb. 1). Die Chronik wird komplettiert durch den „Bildband“ „Kayser Maximilian besonder Buch genant der Zaiger“, der am 12. Februar desselben Jahres erschien und eine Art Zusammenfassung zum Geburtsspiegel lieferte und nach mehrfacher Überarbeitung den Abschluss der Chronik markierte.[2]
Im Zusammenhang mit der Herrschaftsrepräsentation Kaiser Maximilians I. und seines gedechtnus-Projekts, das er zu Lebzeiten anstrebte, nehmen diese Quellen eine zentrale Rolle ein. Besonders im Kontext der Säkularisierung, die sich vor allem in der Tatsache widerspiegelt, dass Maximilian I. als erster Kaiser nicht mehr vom Papst selbst gekrönt wurde, lässt sich anhand dieser ausschlaggebenden Quelle ein Einblick in die Herrschaftskonzeption eines Regenten erlangen. Um Kaiser Maximilian als Regent abseits der päpstlichen Herrschaftsgewalt zu legitimieren, konzipierte Jakob Mennel für diesen in seiner Chronik u. a. eine Verbindung in die Transzendenz, welche sich in den drei Leiterbildern widerspiegelt.
Die drei Leiterbilder
Das erste Bild zeigt die silberne, bis zum Mond reichende Leiter (Abb. 2), die die verschiedenen Grade der Adeligen des Hauses Habsburg vom untersten Grafen bis zum Kaiser darstellt und auf der Kaiser Maximilian von den Engeln gekrönt wird. Der Text erläutert dabei, wie die Habsburger zunächst die Leiter vom ursprünglichen Königsstand in den Grafenstand herabgestiegen, jedoch jetzt wieder bis zum Rang des Kaisers aufgestiegen sind.
Die zweite, goldene, bis zur Sonne reichende Leiter (Abb. 3), visualisiert die geistlichen Würdenträger des Hauses Habsburg nach Rang geordnet, an deren Spitze der Papst von zwei Engeln gekrönt wird. Der päpstlichen Macht wird also weiterhin ihre Rolle innerhalb der Kirche zugesprochen.
Auch die dritte, mit Edelsteinen besetzte Leiter (Abb. 4) unterstreicht die Wichtigkeit der Verbindung in die Transzendenz. Sie stellt die Heiligen aus dem Haus Habsburg dar und zeigt Kaiser Maximilian an der Spitze, der von Gottvater gekrönt wird. Durch die schiere Menge an Heiligen, die zuvor in der Chronik an die Habsburgerdynastie geknüpft wurden, wird diese zu einem Parameter für Heil: Je mehr Heilige an die Dynastie gebunden sind, desto mehr Heil besitzt sie. Besonders auffällig ist, dass er nicht wie in Abb. 2 als weltlicher Kaiser gekrönt wird, sondern darüber hinaus nackt und mit Striemen überzogen – also als Märtyrer – gezeigt wird. Die Analogie zum gegeißelten Jesus, welche sich wiederholt in seiner Selbstdarstellung finden lässt, wird dort besonders offenbar.
Die Herrschaft Kaiser Maximilians und damit der Habsburger ist nicht nur durch die vielen Verwandtschaftsbeziehungen zu geistigen Würdenträgern und Heiligen legitimiert, sondern auch mit der Einsetzung des Kaisers durch Gott und einer damit einhergehenden Abbildhaftigkeit des Herrschers mit diesem. Zudem wird wieder die langsame Abspaltung von der Legitimation durch Papst und Kirche deutlich. Kaiser Maximilian bringt seine Selbstdarstellung mit der Inszenierung als gegeißelten Märtyrer jedoch auf einen neuen Höhepunkt. Betrachtet man die Symbolik von Gold, Silber und Edelstein, so wurde den Heiligen der Dynastie in der Darstellung die größte Wichtigkeit zugesprochen. Mit Maximilian an der Spitze der weltlichen Macht und als Märtyrer an der Spitze der Heiligen zeigt er seine gehobene Stellung. Er wird unmittelbar von Gott gekrönt und ist durch die Analogie zu Jesus Christus mit einer göttlichen Natur ausgezeichnet und damit nicht auf die Einsetzung durch den Papst angewiesen. Neben ihm steht zwar noch die geistliche Leiter auf weltlicher Ebene, an deren Spitze der Papst thront, jedoch ist diese im Vergleich zu den beiden anderen als am wenigsten wichtige Ebene dargestellt. Indem er sich an die Spitze der Heiligen und Seligen des Hauses Habsburg stellt, versucht er sich gewissermaßen über den Papst zu stellen.
Die Hintergründe
Dieser Versuch des Überragens ist wohl darauf zurückzuführen, dass Maximilian nie der ersehnte Romzug zur offiziellen Krönung zum Kaiser durch den Papst persönlich gelang, da Maximilians Gegner Venedig und Frankreich die Pässe nach Oberitalien sperrten und der Papst selbst letztlich eine Krönung im Reich empfahl.[3] Grund dafür, dass nun mit Maximilian nicht mehr zwangsläufig der Papst den Kaiser krönen musste, war also in Realität mitnichten ausschließlich Maximilians Vorstellung von Herrschaftslegitimität, sondern schlichtweg die Tatsache, dass ihm die traditionelle Kaiserkrönung verwehrt blieb. Dies mochte unter den Zeitgenossen Zweifel an der Legitimität seiner Kaiserkrone aufkommen lassen, weswegen er seine übernatürliche Natur in seinen propagandistischen Werken umso mehr unterstreichen wollte. Besondere Erkenntnis der Betrachtung ist es also, dass sich Maximilian von einem Einspruchsrecht der Amtskirche nicht durch Säkularisation, sondern im Gegenteil durch verstärkte Sakralisierung der eigenen Person zu lösen versuchte und dabei in einem Versuch Kontingenz herzustellen eines der größten Ruhmeswerke seiner Zeit hinterließ.
Literatur
[1] Mennel, Jakob: Fürstliche Chronik genant Kayer Maximilians geburt spiegel , Wien ÖNB cvp 3072* – 3077.
[2] Mennel, Jakob: Kayser Maximilians besonder buch, genannt der Zaiger, Wien ÖNB Cod. 7892.
[3] Wiesflecker, Hermann (1981-1986): Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit., Der Kaiser und seine Umwelt Hof, Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. 5 Bände. München: R. Oldenbourg (Band 5).S. 426.
Anna Sebastian, M.A. (Germanistische Literaturwissenschaft), studierte Neue Deutsche Literatur mit dem Profilbereich Geschichtswissenschaften an der LMU München. Ihre Bachelorarbeit verfasste sie zum Thema „Geblüt oder Verdienst? Strategien der Herrschaftslegitimation bei Kaiser Maximilian I.“ und beschäftigte sich im Rahmen dessen mit dem Spannungsfeld von Herrschaft als juridischen Diskurs und zeitgenössischer Lebensrealität in Literatur und geschichtlichen Quellen. Momentaner Forschungsschwerpunkt ist eine differenzierte Gryphius-Forschung im Zuge des 400. Geburtstags des Barockdichters.
Anfrage
Sehr geehrte Frau Sebastian,
nach den bisherigen Information hat Jakob Mennel 1518 die 5 Bücher der Fürstenchronik in Kaufbeuren an KM übergeben.
Frage:
Ist die o. g. Abbildung 1 eine Darstellung von 1518 oder ein in späteren Jahren nachgezeichnetes Bildnis?
Gibt es nähere Informationen über die Übergabeaktion in Kaufbeuren 1518?
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Helga Ilgenfritz
Stadträtin in Kaufbeuren
Sehr geehrte Frau Ilgenfritz,
entschuldigen Sie die späte Antwort. Das Bild stammt aus dem begleitendem Bildband der Chronik: „Kayer Maximilian besonder Buch genant der Zaiger“, der am 12. Februar 1518 fertiggestellt worden ist. Zur die Übergabesituation konnte ich bisher nichts herausfinden. Eine Recherche in Werken der Hofchronisten und von Genealogen wäre hierzu nötig.
Die genauen Infos zum Zaiger: Mennel, Jakob: Kayser Maximilians besonder buch, genannt der Zaiger, Wien ÖNB Cod. 7892
Beste Grüße
Anna Sebastian
Sehr geehrte Frau Sebastian,
herzlichen Dank für Ihre Mitteilung.
Es gibt zwischenzeitlich eine Fundstelle, wonach die Fürstenchronik in Kaufbeuren 1518 übergeben worden sein soll:
ÖNB, dazu Mertens S. 126. In den KM-Regesten findet sich allerdings nichts.
MfG
Helga Ilgenfritz
Stadträtin