Von Jan Lutteroth und Christa Syrer //
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m letzten Herbst feierte dieser Blog sein einjähriges Bestehen – der richtige Zeitpunkt für uns, um auf ein Jahr ‚Hofkultur‘ zurückzublicken, Erfahrungen auszutauschen und vor allem in die Zukunft zu denken. Im November 2016 haben wir unseren Blog um ein Reallife-Netzwerk erweitert. Mit diesem informellen Verbund wollen wir WissenschaftlerInnen in München näher zusammenbringen und einen Rahmen zum regelmäßigen Austausch bieten. Gleichzeitig können wir auf diesem Weg auch neue AutorInnen für unseren Blog gewinnen.Das große Interesse am Gründungstreffen des ‚Netzwerks Hofkultur‘ hat uns sehr gefreut und auch bestätigt: München hält mit seinen zahlreichen Institutionen – Forschungseinrichtungen, Universitäten, Museen, dem Landesamt für Denkmalpflege, der Bayerischen Schlösserverwaltung usw. – ein großes Potenzial zur interdisziplinären Zusammenarbeit bereit. Diese Fülle an Möglichkeiten macht es bisweilen aber schwierig, den Überblick über laufende Projekte zu behalten und immer auf dem neuesten Stand zu sein.
Das ‚Netzwerk Hofkultur‘ trifft sich nun 1 bis 2 Mal pro Semester zu Site Visits, die Einblicke in Institutionen geben und aktuelle Forschungen vorstellen. Unser Treffen im WS2016/17 fand am 24. Februar in der Münchener Residenz statt. Jan Lutteroth, der im Rahmen seiner Dissertation1 aktuell an einer CAD-Visualisierung der frühneuzeitlichen Residenz arbeitet, hat diesen Termin für uns organisiert. Im Fokus unseres Besuchs stand die sogenannte Neuveste, die von den bayerischen Herzögen ab dem späten 14. Jahrhundert am Münchener Stadtrand errichtet worden war und die den Kern der frühneuzeitlichen Residenz bildete.
Dr. Christian Quaeitzsch, der zuständigen Referent der BSV und Autor des Blogs der Münchener Residenz (http://www.residenz-muenchen-blog.de/), gab uns eine spannende Führung zu den sonst nur beschränkt zugänglichen Überresten der Neuveste unter dem Apothekenhof. Dafür möchten wir uns an dieser Stelle nochmals herzlich bedanken.
Im Zuge des Wiederaufbaus der Münchener Residenz nach 1945 ließ Otto Meitinger in diesem Bereich archäologische Grabungen durchführen. Die Deutung dieser Befunde durch Meitinger stellt bis heute den einschlägigsten Forschungsstand zur herzoglichen Neuveste dar.2 Erst seit kurzem werden diese Erkenntnisse durch neue Grabungen auf dem Areal der Residenz geprüft und erweitert wobei wir gespannt auf deren Ergebnisse warten.
Im Untergrund hat sich unter anderem das unterste Geschoss des südwestlichen Geschützturms der Neuveste erhalten. Der rechteckige Turm hatte nach drei Seiten Schießscharten. Eine der erhaltenen Schlitzscharten, die zur Verteidigung der Burg gegen Nordwesten ausgerichtet war, wurde nach 1465 für den Einsatz von kleineren Feuerwaffen umgerüstet. Im 16. Jahrhundert wurde der Turm mit den noch bis heute begehbaren Kassematten umbaut.
Unter der heutigen Residenz hat sich auch der beeindruckende Keller des um 1580 unter Herzog Wilhelm V. (1548-1626) errichteten Ballhauses erhalten. Solche Ballhäuser, die zahlreich an den europäischen Höfen des 16. bis 18. Jahrhunderts belegt sind, dienten dem Spiel des Jeu de Paume, einem Vorläufer des Tennis. Wilhelm, der diesem vermutlich aus Italien stammenden „Hofsport“ sehr zugetan war, ließ sich bereits in jungen Jahren eine Spielstätte auf der Burg Trausnitz in Landshut errichten. Und selbst nach seinem Rückzug aus den Regierungsgeschäften lässt sich eine solche im Bereich der Herzog-Max Burg nachweisen. Das Ballhaus der Residenz blieb fester Bestandteil des Gebäudekomplexes bis es 1799 nach einem Entwurf von Charles-Pierre Puille zur evangelischen Hofkirche umgestaltet wurde.
Wieder zurück an der Oberfläche stellte uns Jan Lutteroth einige vorläufige Ergebnisse und Arbeitsschritte aus seiner laufenden Promotion vor. Beispielsweise eine Methode, wie sich historische Stadtansichten Münchens in die präzisen Vermessungsdaten der heutigen Residenz einpassen lassen, um eine Annäherung an frühere Bauzustände zu visualisieren. Die dabei gleichzeitig aufkommenden Fragen zur Entstehungsgeschichte dieser Pläne ließen wiederum interessante Schlüsse über das höfische Leben zu. So zeigt sich, dass Tobias Volkmer (1586-1659), der herzogliche Mathematiker und Goldschmied, für seine Arbeit am ältesten erhaltenen Münchener Stadtplan, auf die Unterstützung von adeligen Höflingen angewiesen war, um seine Vermessungen durchzuführen. Erwähnenswert ist hier besonders Georg Herwart (1553-1622), der Oberstkanzler, der in seiner „Freizeit“ mit Johannes Kepler in Kontakt stand und die engsten Kontakte zu bedeutenden Humanisten der Zeit pflegte.
Hieraus entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, die neben höfischen Beziehungen auch das Konzept des späteren Hofgartens Maximilians I. und seinen astronomischen Gestaltungsbezügen einschloss. Insgesamt lässt sich unser erstes Treffen als würdiger Auftakt zu weiteren fruchtbaren Austauschmöglichkeiten an den Orten des höfischen Lebens bezeichnen.
1 Jan Lutteroth: Die Residenzstadt München in der frühen Neuzeit. Ihre räumlich-funktionale Entwicklung und Strategien zu ihrer 4D-Visualisierung (Arbeitstitel), Betreuer: Prof. Dr. Stephan Hoppe (LMU München)
2 Otto Meitinger: Die baugeschichtliche Entwicklung der Neuveste : Ein Beitrag zur Geschichte der Münchener Residenz, München 1970.
how can you visit the vaults today?
would love to see them on one of my upcoming visits