Im Oktober 1826 trat die Giraffenkuh Zarafa (arabisch für die ‚Liebliche‘) ihre Reise von Alexandria über das Mittelmeer nach Marseilles an. Seit der berühmten Medici-Giraffe war Zarafa 300 Jahre später die erste Giraffe, die Europa wieder lebend erreichte. Als Geschenk Muhammad Ali Paschas, des Gouverneurs von Ägypten, für den französischen König Karl X. sollte sie von Marseilles aus nach Paris gebracht werden.
Der Hype um die Giraffendame Zarafa
Obwohl Zarafa bei Weitem nicht das erste exotische, afrikanische Tier war, das im Besitz eines französischen Monarchen war und vom Volk in der öffentlich zugänglichen Menagerie in Paris bestaunt werden konnte, rief die Giraffendame einen weitaus größeren Hype hervor als die Elefanten, Rhinozerosse oder Antilopen zuvor.[1] Nach den Modes au rhinocéros von 1749 oder denen au zèbre von 1786 war nun die Mode à la girafe in Form einer regelrechten Giraffomanie in den späten 1820er Jahren über das Land geschwappt.[2]
Einer der Gründe für seine unheimliche Popularität war wohl, dass das Tier außergewöhnlich lange und oft von der Öffentlichkeit beobachtet werden konnte auf seiner Reise nach Paris. Nachdem die Giraffendame Zarafa zunächst ganze sechs Monate in Marseilles als ‚königlicher‘ Gast des Comte de Villeneuve-Bargemont verbrachte bevor der weitere Weg geplant war – und man sie dort täglich vorführte -, wurde sie auf dem 51 Tage langen Marsch im ganzen Land mit Neugierde erwartet. Am 7. Juli präsentierte und übergab man Zarafa schließlich dem König und seinem gesamten Hofstaat im Schlosspark von Saint-Cloud.
Bereits auf ihrer Reise durchs Land konnte man Fanartikel – wie beispielsweise Drucke mit ihrem Bildnis – kaufen. Doch das war noch nicht alles. Besonders in Paris gab es kaum mehr ein anderes Gesprächsthema als die königliche Giraffe. In den Monaten nach ihrer Ankunft in der Hauptstadt übertrumpften sich die konkurrierenden Modejournale Journales des Dames und der Petit Courrier des Dames mit den verschiedensten Varianten von Mode à la girafe. Die auf dem unteren Teeset abgebildete Dame im Publikum trägt ein solches Giraffen-Kleid in modischem Gelb mit braunen Tupfen.
Zarafa erobert die französische Textilindustrie
Auch die in Frankreich so erfolgreiche Textilindustrie, welche immer auf dem neusten Stand sein wollte, machte sich Zarafa zum Thema. Es sind zahlreiche mit Giraffenmotiven bedruckte Baumwollstoffe aus der Zeit um 1827 erhalten. Besonders schön ist, wie man offenbar versuchte, die natürliche Umgebung der Giraffendame darzustellen. So wurden in Abb. 4 z.B. das Meer, Palmen, eine Zitadelle und eine prachtvolle Moschee neben dem Tier platziert.
Und wo ist Zarafa heute?
Letztlich war der enorme Giraffen Hype ein, zwei Jahre nach Zarafas Ankunft in Frankreich wieder vorüber. Vor allem in Paris schätze man Abwechslung und suchte sich längst andere Belustigungen. Das exotische Tier lebte noch für insgesamt 18 Jahre im Jardin des Plantes und wurde schließlich nach seinem Tod am 12. Januar 1845 ausgestopft. Heute befindet sich Zarafas Präparat im Musée d’Histoire naturelle in La Rochelle.
[1] Louise E. Robbins: Elephant Slaves and Pampered Parrots: Exotic Animals in Eighteenth-Century Paris. Baltimore 2002, 3, 12-24.
[2] Michele Majer: La Mode à la girafe: Fashion, Culture and Politics in Bourbon Restoration France. In: Studies in the Decorative Arts, Vol. 17, No. 1, Fall/Winter 2009/10, 125.
Literatur
Gabriele Mauthe: „A la giraffe!“ Die erste lebende Giraffe in Wien. Eine kulturhistorische Notiz zum 250-Jahr-Jubiläum des Tiergartens Schönbrunn in Wien. In: Biblos. Beiträge zu Buch, Bibliothek und Schrift. Hrsg. Österreichische Nationalbibliothek Wien. 51/1, Wien 2002, 111–128.
Sarah Grant: Toiles de Jouy. French Printed Cottons. Victoria & Albert Museum, London 2010. Kapitel Exoticism, 96-107.
Michael Allin: Zarafa – Die außergewöhnliche Reise einer Giraffe aus dem tiefsten Afrika ins Herz von Paris. München und Zürich 2000.
Header-Bild: Visite à la Giraffe, um 1829. Kolorierte Lithographie von François Houiste, veröffentlicht von Boulard, Paris. Musée Carnavalet, Paris. Photo: Parisienne Photographie.
Durch Zufall bin ich soeben auf diesen Artikel gestoßen, der nun schon fast vier Jahre alt ist. Dennoch möchte ich gerne einen Kommentar hinterlassen, denn die Erinnerung an Zarafa ist auch bei uns im Deutschen Uhrenmuseum immer noch sehr lebendig. Zu den Fanartikeln gehörten nämlich auch Schwarzwälder Lackschilduhren, die in unserer Region gefertigt und dann nach Frankreich exportiert wurden.
Herzliche Grüße aus Furtwangen
Oh, das ist ja toll. Herzlichen Dank für den Hinweis auf eure Zarafa „Fanartikel“. Wenn das Museum wieder geöffnet ist, muss ich unbedingt mal vorbeikommen und mir eine solche Uhr ansehen… und bis dahin stöbere ich direkt mal ein wenig in eurem Blog. 🙂
Herzliche Grüße aus München