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Tagungsbericht: Fürstliche Witwen und Witwensitze in Schleswig-Holstein

Tagungsbericht: Fürstliche Witwen und Witwensitze in Schleswig-Holstein

Das Schloss vor Husum ist – wie viele norddeutsche und skandinavische Bauten – bisher leider nicht im Kanon der europäischen Kunstgeschichte angekommen, obwohl es hier sehr viel zu entdecken gibt. Im 17. Jahrhundert diente das Schloss als Witwensitz für die Fürstinnen des Hauses Schleswig-Holstein-Gottorf. Der Bau ist daher unmittelbar relevant für meine Forschung zu frühneuzeitlichen Witwensitzen. Umso erfreulicher ist es, dass die Abteilung Regionalgeschichte der Universität Kiel zusammen mit dem Nordfriisk Instituut am 24. März 2017 den „Witwen und Witwensitzen in Schleswig-Holstein“ in Husum eine sehr gelungene Tagung widmete (https://www.histsem.uni-kiel.de/de/abteilungen/regionalgeschichte/tagungen/fuerstliche-witwen-und-witwensitze-in-schleswig-holstein; Tagungsleitung: Prof. Dr. Oliver Auge, Prof. Dr. Thomas Steensen).

Husumer Schloss, Ansicht von Südosten
Das Husumer Schloss vor 1750, Stich aus Laurids de Thuras „Den danske Vitruvius“, https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_vor_Husum#/media/File:Husum,_Den_danske_Vitruvius.JPG

Die Gottorfer Fürstinnen wurden in den letzten Jahren umfassend von Melanie Greinert untersucht (https://uni-kiel.academia.edu/MelanieGreinert), deren Dissertationsprojekt „Denk- und Handlungsräume fürstlicher Ehefrauen zwischen Dynastie und hochadeligem Selbstverständnis am Beispiel der Herzoginnen von Schleswig-Holstein-Gottorf (1564–1728)“ seit Kurzem abgeschlossen ist und eine erhebliche Forschungslücke schließt. Daher eröffnete Frau Greinert die Tagung auch mit einem grundlegenden Vortrag zum Husumer Schloss als Witwensitz.

Husum, Norderstraße 21, ‚Burgerhaus‘ mit zwei Sandsteinstelen vom Schloss, 1616i

Diese Nutzung des Husumer Schlosses als Witwenresidenz (mit Nebenresidenzen oder Jagdschlössern wie Schloss Reinbek) hat ihre architektonischen Spuren hinterlassen. Noch zu Lebzeiten Johann Adolfs von Schleswig-Holstein-Gottorf (1575-1616) wurde das Schloss u.a. mit mehreren höchst repräsentativen Kaminen und einem neuen Torhaus ausgestattet. Johann Adolf verstarb 1616 und seine verwitwete Gattin Augusta (1580-1639), eine Tochter König Friedrichs II. von Dänemark, verlegte ihren Hof nach Husum.

Husumer Schloss, sog. Fortunakamin, Alabasterreliefs von Henni Heidtrider (https://de.wikipedia.org/wiki/Henni_Heidtrider)
Husumer Schloss, Kamin mit Wappen der Herzogin Augusta von Schleswig-Holstein-Gottorf, 1616

Die Figurengruppe am Torhaus – Juno, Venus und Minerva – sowie die ionische Säulenordnung können wir als „weibliches Programm“ lesen: Nikolaus Goldmann (1611-1665) rezipiert in seiner „Civil Bau-Kunst“ die antike und frühneuzeitliche Säulenlehre und beschreibt, dass die ionische Ordnung besonders für die Architektur von Frauenklöster, für Grabmäler adeliger Damen und für die Ausstattung des Frauenzimmers schicklich sei.[1]

Husumer Schloss Torhaus, 1612

Als Herzoginwitwe ließ Augusta bis 1626 eine neue Kapelle im Husumer Schloss errichten und erweiterte den Südflügel mit Räumen, die vermutlich als Sommergemach oder Gartensaal dienten. Für meine eigene Forschung ist die Nutzung des Husumer Schlosses durch Augusta besonders spannend, da es sich zwar nicht ganz in der Dimension, aber durchaus in der Struktur und ehemaligen Ausstattung gut mit Schloss Lichtenburg bei Prettin vergleichen lässt (Vgl. https://hofkultur.hypotheses.org/373). In Lichtenburg führte Augustas nur ein Jahr ältere Schwester Hedwig von Dänemark (1581-1641) ab 1611, also fast zeitgleich, ihren Witwenhof.

Husumer Schloss, Portrait der Herzogin Augusta von Schleswig-Holstein-Gottorf als Witwe, 1616-1639

Die zweite der Husumer Witwen, Herzogin Maria Elisabeth von Schleswig-Holstein-Gottorf (1610-1684), war wiederum eine Tochter des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. (1585-1656) und Magdalena Sibylles von Preußen (1586-1659). Maria Elisabeths Verbindung mit Augustas Sohn Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf (1597-1659) wurde von Hedwig von Dänemark vermittelt. Nach dem Tod Friedrichs III. hielt Maria Elisabeth ab 1660 in Husum ihren Witwenhof mit rund 85 Hofangestellten. Für sie war Hedwigs anspruchsvolle Hofhaltung in Lichtenburg offenbar vorbildhaft, was zur Verschuldung des Husumer Witwenhofs führte. Maria Elisabeth trat als Förderin von Kunst und Kultur hervor und erweiterte die Husumer Gemäldesammlung beachtlich.

Herzogin Maria Elisabeth von Schleswig-Holstein-Gottorf (1610-1684), https://www.nordfriesland.de/Kultur-Bildung/Kulturarbeit-des-Kreises/Schloss-vor-Husum/Gestern-Heute

Thematisch und regional passend wurde das Tagungsprogramm durch Beiträge zu den Witwensitzen der Plöner Herzöge (Dr. Silke Hunzinger), der Eutiner Fürstbischöfe (Dr. Anke Scharrenberg) und der Herzöge von Sachsen-Lauenburg (Franziska Hormuth, M.A.) ergänzt. Der Vortrag von Prof. Dr. Carsten Porskrog-Rasmussen zeigte auf, welch große Gebiete mit zahlreichen Schlössern den dänischen Königinnen als Wittum gegeben wurden. So erhielt Dorothea von Sachsen-Lauenburg (1511-1571), die Gattin Christians III. von Dänemark und Norwegen (1503-1559) u.a. Kolding und Sonderburg. An diesem Anspruch können wir nachfolgend das Wittum von Dorotheas Tochter Anna (1532-1582), der Gattin Kurfürst Augusts von Sachsen (1526-1586), aber auch das der anderen sächsischen Kurfürstinnen bemessen.

Die Beiträge der Tagung präsentierten neue Ergebnisse und laufende Untersuchungen, daher wird der Tagungsband auch die Forschung zur fürstlichen Witwe in der frühen Neuzeit ein gutes Stück voranbringen. In Husum wurde wichtige Grundlagenforschung geleistet und auch aufgezeigt, wie viele Quellenbestände zu einzelnen Fürstinnen noch nicht aufgearbeitet sind. Wie immer bleibt noch einiges zu tun.

[1] Leonhard Christoph Sturm: Erste Ausübung Der Vortrefflichen und Vollständigen Anweisung zu der Civil-Baukunst Nicolai Goldmanns Bestehend An Neun ausführlichen Anmerkungen, Braunschweig 1699, S. 11 (https://books.google.de/books?id=yiZH9s5SCkQC&dq=ionische%20ordnung%20frauen&hl=de&pg=RA2-PA203#v=onepage&q&f=false).

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